Pigeons 4 Nessie
19. Juli 2003, Sonnabend - es geht tatsächlich wie geplant um 6:00 los. Alle Sachen sind am Tag zuvor schon an Bord gebracht worden, die gemietete Rettungsinsel sorgsam am Boot befestigt, der letzte Check gemacht - es verspricht gutes Wetter zu werden, die Prognose für die nächsten Tage: mäßige Winde aus Südwest; das bedeutet: Kanal. Unsere Reise-Idee ist noch immer: Caledonian Canal, dann West-Schottland, Pentland Firth und zurück. Ein umfangreiches Programm für die Zeit, die wir zur Verfügung haben, denn ich muss am 7. August um 9:00 zum Dienst .... aber man kann ja zur Not auch den Kanal bereisen und den selben Weg zurück segeln, den man gekommen ist.
In der Schleuse liegt ein Engländer aus Bornemouth vor uns, hatte sechs Wochen Urlaub in Norwegen, Schweden und Dänemark, ist jetzt auf der Rückreise. Wir sprechen mit ihm über unsere Pläne. "The weather up there can be very tricky - but it should be a bit settled at the moment."
Im Kanal werden noch ein paar Vorbereitungen gemacht - die Luken werden mit Silikon ozean-fest gemacht. Nachteil: sie sind nun wirklich dicht und drinnen wird es schnell 34 Grad warm.
Zum Glück finden sich an Bord noch ein paar total bescheuerte Baseall-Caps - wirklich sehr gut bei der Hitze. Zusätzlich: Lichtschutzfaktor 30.
Wir beschäftigen uns ein wenig mit dem "Cruising Navigator" der auf dem Laptop an Bord läuft, mit dem GPS verbunden ist und sehr tolle Navigation erlaubt, wozu doch manchmal die Kinder gut sein koennen. Voraussetzung: man hat die entsprechenden Katen. Wir haben die der Nordsee nicht in elektronischer Form. Immerhin haben wir von unserem Versuch von 2001 (siehe: "Sorry Nessie") die Koordinaten von Kinnaird Head noch im GPS und die Peilung von 305 Grad ab Brunsbüttel soll die nächsten Tage nach Möglichkeit unser Kurs sein.
Wie wir es auch in der Gezeitentabelle herausgefunden haben hilft kurz nach dem Ausschleusen die Tide kräftig mit und es geht fix hinaus auf die Nordsee - die von Brunsbüttel doch noch weit entfernt ist.
Draußen weht genau der Wind, den wir brauchen und es geht flott in die Nacht hinein. Wir einigen uns schnell auf einen Wachrhythmus - sehr wichtig bei einer 2-Mann-Crew. Jede Wache dauert vier Stunden - bei härteren Bedingungen "nur" drei Stunden. Der Autopilot erleichtert die Arbeit - bei mittleren Winden. Man muss nicht ständig am Ruder sitzen, kann sich mal einen Kaffee brühen, ein paar Zeilen lesen, die Umgebung beobachten - wachsam muss man trotzdem sein. Derjenige von uns beiden, der "Dienst" hat trägt immer eine Schwimmweste - und ist nachts in der Regel angeleint.
Am nächsten Morgen sind wir aus dem Hauptverkehrsweg heraus. Helgoland liegt hinter uns - für die nächsten Tage der letzte Blickkontakt zum Land.
Nachmittags sitzen wir beide unter Deck, trinken unseren Cappuccino und klönen ein wenig - da sehe ich einen Schatten! Jemand ist zusätzlich an Bord. Ein kurzer Blick ins Cockpit - eine Brieftaube ist unser Gast. Wenige Augenblicke später schaut der Vogel dann auch zu uns herein, kennt keine Scheu, hüpft in die Kajüte, inspiziert alles. Wir füllen etwas Wasser in ein Glas und nachdem der neue Passagier gelernt hat, dass man den Inhalt von Gläsern immer von oben entnimmt und nie von der Seite, trinkt er fleißig. Allerdings taucht er dazu den ganzen Kopf ins Wasser - das kannten wir noch nicht.
Die Nahrung, die wir anbieten, scheint nicht den Gusto eines Zuchttieres zu treffen - aber überall wo er geht und steht kackt der Gast hin.
Was tun mit dem Tier?
Wir beschließen, die Taube mitzunehmen - wir können uns nicht vorstellen, dass sie den Weg über das Meer zum Festland schafft. Allerdings wollen wir auch nicht das ganze Schiff voll Taubenkot haben, so opfert Jürgen einen alten Wasserkanister, schneidet ihn auif, macht ein paar Öffnungen - das soll der Transportbehälter werden. Während Jürgen mir stolz sein Werk zeigt sage ich, er wird wohl noch einen Käfig mher basteln müssen - eine zweite Taube ist zu uns gekommen. Sie sitzt völlig erschöpft und apathisch auf dem Großbaum - der im Moment eine gute Vogelstange ist weil wir nur unter Fock segeln. Auch die zweite Taube trink sehr begierig - allerdings "zivilisierter" als die erste. Es ist noch ein zweiter überflüssiger Kanister an Bord und auch der wird "umgebaut". Beiden erhalten je ein Glas mit Wasser direkt vor eine Öffnung, sie werden so verzurrt, dass sie auch bei Seegang recht stabil an einem Ort bleiben. Von jetzt ab gehört die tägliche Reinigung der Käfige zu unserem Arbeitsrhythmus - und immer wieder fein mit dicken Lagen Küchenpapier auslegen. Schwieriger wird es mit der Nahrung. Bananen und Äpfel mögen die Vögel nicht. Viele andere Angebote werden ignoriert - sie mögen von dem, was wir anbieten nur Knäckebrot - kleingemörsert.
Der Wetterbericht sagt für den größten Teil Deutschlands Gewitter voraus. Wir machen uns keine Sorgen darum. Doch mitten in der Nacht haben wir eine ganze Menge davon - rings um uns herum Gewitter. Es blitzt, donnert, hagelt und regnet. Dicke Hagelkörner prasseln auf das Boot - doch es bleibt windstill. Der Motor schiebt und mit 5 Knoten unserem Ziel entgegen, für mich für die nächste Zeit die letzte Nacht in meiner Koje. Am nächsten Tag frischt der Wind ordentlich auf und wird uns bis kurz vor Peter Head wenig Ruhe gönnen. Ich versuche immer im "Salon" zu schlafen. Im Sitzen, im Liegen eingekeilt, sitzend und mich gleichzeitig festhaltend und immer mit allem Zeug an - eine wirklich gute Position gibt es nicht, der kurze Schlaf ist selten wirklich erholsam.
Je näher wir an Schottland kommen, so interessanter wird das Leben um uns herum: Delphine begleiten uns eine Weile, verschiedene Wale interessieren sich für uns, eine Dreiergruppe von Walen übt Formationssprünge; Papageientaucher zeigen, dass es auch Vögel gibt, die ansolut "unelegant" fliegen können. Intensivers Meeresleuchten stellt sich ein, das Kielwasser leuchtet so hell, dass man glaubt, dabie Zeitung lesen zu können un die Benutzung der Bordtoilette wird zur psychedelischen Lightshow.
An Bord finde ich das Buch "Der Sturm" von Sebastian Junger und lese es zügig durch. Diese Lektüre macht nicht so recht Mut für unser Vorhaben.
Leider gibt die Selbststeueranlage ihren Geist auf, Jürgen repariert noch einmal. der Erfolg ist von kurzer Dauer - von un ab wird "zu Fuß" gesegelt. Leider, leider ...
Immerhin können wir immer auf einem Bug segeln - oft aber hart an der Grenze. Keine immer einfache Aufgabe. Am Mittwoch endlich am Vormittag - Landfall! Peter Head in Sicht! Für uns die Gewissheit, am Abend endlich wieder die Füße auf Land stellen zu können. Das Kap ist fix erreicht, zu unserem großen Vorteil ändert sich der Wind und wir segeln mit halben Wind sehr dicht an der Küste entlang. Viele kleine Häfen, kaum einer für uns geeignet, denn sie haben bei Niedrigwasser einfach zu wenig Tiefe für uns. Sandstrände sind menschenleer, nur ein einziger Segler außer uns zu sehen. Die typisch britsichen Häuser am Ufer. Heidekraut blüht in sehr großen Flächen. Es riecht hier nach nassem Weizenfeld (kurze Schauer unterbrechen den Sonnenschein) und dort nach Kiefernwald - die ersten Düfte nach Tagen reiner Seeluft. Ich sitze am Ruder und plötzlich duchzuckt mich ein gewaltiger Schreck: direkt neben dem Boot brodelt das Wasser, Möwen schreien, das muss ein Riff sein und ich habe es übersehen! Während ich überlege, wie ich uns aus der Gefahrenzone navigieren kann ... stellt sich heraus, dass es ein Wal fün cirka 15 Metern Länge ist, der dort direkt neben uns auftaucht.
Der Fjord ist elendiglich lang und wir beschließen in Burghead Bay zu ankern. Sehr dicht am Hafen auf gutem Sandgrund - und im Duft von Kiefernwald. Das Abendessen wir opulent und es gibt eine Flasche Rotwein. Mit der Ausnahme von einer Flasche Bier pro Person der erste Alkohol seit der Abreise. Wir freuen und wundern uns, dass es so lange hell ist - wir sind nicht sehr weit im Norden, jedoch in einer anderen Zeitzone! Ich kann endlich wieder in meine Vorschiffskoje - doch intuitiv bleibe ich angezogen. In der Nacht dreht der Wind und nimmt zu - der Anker hält nicht und wir müssen den Platz verlassen. Beim Ankermanöver auf dem heftig sich auf und ab bewegenden Vorschiff fließt etwas Blut, dann stampfen wir unter Maschine gegen den Wind. Mit Segeln wäre alles etwas einfacher, doch wir sind etwas angegriffen und wollen einfach nur ein paar Stunden Ruhe. In einem Nachbarfjord vorbei an riesigen Bohrinseln direkt vor einem leicht romantischen alten Dorf finden wir einen guten Platz, sonnen uns, essen, schlafen, entspannen .....
Am frühen Nachmittag nimmt der Wind etwas ab und wir kreuzen unter Sturmbeseglung gen Inverness. Unsere Karte geht nicht so weit, doch mit etwas Intuition kann man gut navigieren. Auch hier ist es so heiß wie fast überall in Europa. An der Schleuse in Clachnaharry steige ich aus und frage nach der nächsten Schleusung. Am kommenden Morgen um 8 ...
Wir finden einen Liegeplatz in einem Teil des Industriehafens, packen unser Duschzeug und wandern zur Marina - dort kommen wir nicht hinein, alles ist hoch mit Zäunen umgeben und ohne Schlüssel....
Ein Pole mit seiner Freundin mit einer Allegro 27 unter schwedischer Flagge erläutert uns eine Menge und will Seekarten tauschen. Interessante Variante - sehr sehr sinnvoll, doch uns bis dato unbekannt - und anbieten können wir leider nichts. Ich habe noch ein paar Quid und im nächsten Laden der noch so spät offen hat kaufen wir etwas, wovon wir glauben, es könne unseren Tauben schmecken. So leidlich trifft es ihren Gusto. Eine kurze Wanderung in die Innenstadt und ein Gang zur Cash-Mashine.
Was "Gang" angeht - unser ist extrem. Breitbeinig. Wie denn sonst, wenn das Land hier so schwankt?
Wieder gibt die Bordküche eine Flasche Rotwein frei und nun kommt endlich eine Nacht ohne Schiffsbewegung, ohne Schaukeln, ohne Sorge um den Anker und die Tide - eine Nacht ohne Klamotten schlafen.
25. Juli 2003, Freitag
Wir schleusen mit dem zweiten Schub. Von der "Alba Venturer" aus werden wir auf deutsch angesprochen. Das ist eine Oyster 70 und hat 17 Leute an Bord - Ausbildungsreise.
Das Schleusen kostet 150 Quid für 7 Tage und es gibt gutes Informationsmaterial dazu. Das hört sich wirklich teuer an - Kosten deckend kann es nicht sein.
In der Marina vor der Schleusentreppe machen wir fest. Tagesplan: Tauben, Duschen, Reparaturen....und Pub!
Ich spreche die Leute auf der "Alba Venturer" an, kann bei ihnen an Bord und der Mann, der uns auf deutsch ansprach, telefoniert nach allem und jedem, was uns wegen der Tauben weiterhelfen könnte. Das ist sehr mühsam und er entlässt mich mit einer langen Liste von Telefonnnummern nachdem ich mir das Schiff gründlich von innen angesehen habe.
Dann starte ich eine sehr umfangreiche Serie von Telefonaten und werde von allen möglichen Leuten angerufen. RSPCA und SSPCA, Homing Associations und Carrier Services and so on and so forth - so richtig hilft uns das nicht.
Jürgen will den Autopiloten reparieren und klappert eine Marina, 73 Uhrmacher, 3 Fahrradgeschäfte, 4 Autowerkstätten ab und hat dann bei einem Modellbauer Erfolg. Außerdem brauchen wir noch verschiedene Klebstoffe, denn auch der Zwischentank will seine Zuwendung und ein Mikroschalter ist auch von Nöten um die Wasserversorgung auf Vordermann zu bringen.
Ich kaufe noch Müsli für die Tauben und ..... Postkarten, denn eigentlich reist man doch nur, um Postkarten zu schreiben. Jürgen legt extremen Wert auf exakt ausgerichtete Briefmarken. Die Tauben mögen Müsli nur bedingt. Wir probieren es selbst mit Milch, später mit O-Saft (und die Milchflasche wird zur Ente) - das Müsli ist gut (für uns).
Die Fachleute mit denen ich spreche sagen, dass die Vögel zwischen 4 und 10 Tagen ohne Nahrung auskommen. Wenn sie den Heimweg nicht finden werden sie sowieso gehimmelt. Aber sie haben doch nie gelernt, sich selber Nahrung zu suchen? Stimmt auch wieder.
Reges Basteln folgt - und Lektüre der Tageszeitung. In Inverness ist das Abfackeln von Autos populär.
Statt wie geplant in der Stadt gepflegt essen zu gehen muss die Bordküche herhalten, dann endlich ins Nachtleben. Der erste Pub ist nur mäßig, dann kommen wir trotz der Türsteher in das Hootenanny, dort absolut tolle Live-Music, tolle Stimmung und das beste Bier, was ich je im UK trank - Red Kite. Mit ein paar Einheimischen komme ich ins Gespräch - die üblichen Kneipengespräche. Immerhin zahlen sie mein Bier.
Als wir wieder zum Boot wollen fehlt uns die Orientierung und der erste Mann, den wir fragen, fährt uns mit seinem Auto direkt zum Liegeplatz. Nun noch ein schneller Absacker und hinein in einen erholsamen, entspannten Schlaf.
Am Sonnabend lassen wir die Tauben frei. Die wollen das nicht so richtig. Nun wissen wir, dass eine Taube deutsch ist und die andere niederländisch. Die Niederländerin rafft sich auf und fliegt davon - vier Meter weit, dann platscht sie ins Wasser. Sie macht keine Anstrengung und treibt würdevoll (Würde voll?) im Kanal. Wir fischen sie mit dem Kescher wieder auf und sie begleitet uns weiter. Dumm gelaufen.
In der Schleusentreppe lernen wir die "Rugosa" aus USA kennen und eine sehr eigenwillige Interpretation von Seemannschaft. Wenn man das Schleusen nicht beherrscht kann man ja die Schraube volle Kraft drehen lassen; dann tanzen zwar alle anderen Schiffe böse umher, doch man selbst beherrscht die Lage. Das Schiff selbst ist ein traumhaft schöner Oldtimer von dem es viele sehr schöne Bilder im WWW gibt. 59 (?) Fuß Yawl, meistens von Halsey Herreshoff geskippert. Jetzt sind Leute an Bord, die keine Knoten können, nicht wissen wie man schleust und ihr Boot in der Schleuse fast quer stellen und andere Schiffe ernsthaft gefährden.
Keiner der Zuschauer die wir ansprechen will eine Taube geschenkt bekommen. Eine Schleusenwärterin ist ganz gerührt, verspricht, sich zu kümmern, lässt sich unsere Telefonnummern geben - und wir hören nichts mehr von ihr. Das ist die freundliche Art verbindlicher Zuverlässigkeit die mich immer befremden wird.
Die beiden Polen schleusen mit uns.
Nun sind wir auf dem Kanal und fahren weit über den Dächern von Inverness durch die Landschaft. Sehr interessant sind die Wehre zur Wasserstandsregulierung. Einfach eine Mauer und alles überschüssige Wasser strömt drüber. Auf der betreffenden Seite oft mehr als zwei Meter tief - nur nicht zu nahe kommen. In der Nähe von ein paar Wracks finden wir eine klasse Moooring und machen Pause, schreiben Karten, entspannen, kochen, lesen, baden - dösen.
Den "Sturm" habe ich durch und mache mich nun über HC Andersen her, dessen "Eventyr og Historier" mir Ilse (meine wunderbare Dänisch-Lehrerin) schenkte. So lerne ich, dass der damals "forliebt","dunkel", "Geburtsdag" und "Angst" schrieb - was heute in Dänemark kaum vorstellbar ist. Damals sprach man in Kopenhagen noch sehr viel deutsch.
Später dann fahren wir ein gutes Stück das Loch Ness ab. Das berühmte Urquhart Castle wird angesteuert, die "Rugosa" liegt dort neben einem Dänen - wir fahren weiter und finden in Foyers direkt hinter den Polen einen wunderbaren Platz für die Nacht.
Am nächsten Morgen geht es nach Fort Augustus.
Die nächste Schleusung ist noch etwas hin. Ich gehe einkaufen - Wurst, Käse, Äpfel und .... 2,5 Kilo Vogelfutter.
Aus einem Wasserkanister aus einer Mülltonne bastele ich eine Tränke, streue das Futter aus und - setze unsere Begleiter an der gut besuchten Promenade frei. Ganz genau eine Woche haben sie uns Gesellschaft geleistet. Was nun aus ihnen wird? Hoffen wir das Beste.
Fort Augustus bietet gleich zwei "Nessies" - als Skulpturen mit Blumen geschückt. Leider im Moment Wartungsarbeiten, daher keine Fotos (aber die gibt es ja im WWW.)
"Rugosa" gibt eine Film reife Vorstellung, die Polen sind wieder da und wir schleusen mit sehr viel Publikum wieder ein Stück höher hinauf. Landschaftlich wird es noch viel schöner, wir finden einen Platz für die Nacht in Gairlochy - dort ist der Fuchs begraben. Der nächste Pub bietet zwar einen kostenlosen Lift an, doch spekuliert wohl auf Kunden für das 35 Quid-Menü. Die "Atlantis" aus Eckernförde liegt auch dort. Wir machen einen sehr ausgedehnten Spaziergang und freuen uns über die Heizung an Bord - und über eine Flasche Rotwein.
Am nächsten Morgen wird mühsam die Buglaterne repariert - unfassbar, dass sowas verkauft wird und nicht einmal wasserdicht ist.
Wir skippern weiter zu "Neptune\'s Staircase" und man schleust uns als einziges Boot zur Doppelschleuse bei Corpach hinab. Beim Coop-Supermarkt gibt es Pizza zum Aufbacken und Rotwein. Anschließend wollen wir in einen Pub. Das "Tradewinds" soll nach unserer Karte ganz in der Nähe sein, etwas weiter entfernt die "Lochy Bar" - beide finden wir nicht. Statt dessen machen wir einen Marsch von gut 12 Kilometern bis Fort William.
Unsere Erwartung, doch noch die Westküste zu ersegeln und über den Pentland Firth nach Hause zu kommen liegt bei unter 20% - und wir haben keine Karten. Zu allem Überfluss regnet es auch noch.
Im zweitbesten Pub ein flaues Bier, doch meine Frage an die Frau an der Bar nach Seekarten führt uns an den Tisch der lokalen Segler. Karten gibt es in Mallaig und in Oban. Man könnte dort anrufen und sie würden die Karten einem Busfahrer mitgeben. Man könnte auch mit dem Bus nach Oban fahren, eine Stunde und man ist da. Doch woher eine Stunde nehmen? Ein älterer Herr am Tisch grübelt still und viel - und sagt dann, er könne uns seine Karten geben, wir sollten sie halt nur zurück schicken, wenn wir wieder zu Hause sind.
Tolle Idee!
Wir gehen mit ihm und seiner Frau in sein Haus, es gibt Kaffee und Kekse, er gibt uns ein ganzes Sortiment an Karten, einen Küsten-Pilot für die schottische Westküste und zwei "Admirality Tidal Stream Atlas" - was sich als unschätzbar wertvoll erweisen soll. Aus dem WWW druckt er uns noch die Tidendaten für Dover für die ganze nächste Woche aus. Besser kann man kaum ausgerüstet sein. Dazu gibt es noch eine ganze Menge zusätzlicher Informationen. "Wenn ihr dort seit - gegen den Strom segeln lonht nicht. Werft den Anker und wartet 6 Stunden." Pentland Firth? Sehr große Strömungen aber "pretty predictable."
Man kann sich trefflich darüber streiten, ob wir nicht alles schon vor der Abreise hätten organisieren können, die Karten zu Hause schon studieren - aber man kann eine Reise auch über-organisieren. Heute geht der Trend ganz eindeutig zum Chart Swapping. "Ein jeden so wie ihn das gerne mach." (Kuddl Schnööf)
Im strömenden Regen wandern wir um Mitternacht nach einer Skizze die seine Frau für uns gemacht hat zum Boot zurück. Um 2 Uhr in der Nacht noch einen kräftigen Grog, dann wieder schön ruhig und sicher schlafen.
Am nächsten Morgen bekommen wir die erste Schleusung. Eine Yacht will noch mit, kommt angerauscht mit "Knochen im Maul" und muss doch warten.
"I\'m not a mindreader" sagt der Schleusenwärter. "If I\'d got a bit of brain I\'d not working in the locks here." Er sagt, wir hätten Glück mit der Tide - draußen stünden 6 Knoten Strom mit uns. Das wussten wir, es war Teil des Kalküls.
29. Juli - Dienstag
In Corpach gibt es billig Diesel und Wasser gratis - die Eckernförder wollen mit uns raus - sie wollen "links" um England. Zwei Holländer kommen an Bord und zeichen sich unsere Seekarten bis Oban ab. Noch fangen unsere neuen Seekarten nicht an, doch die ersten 20 Meilen findet man sehr gut auch ohne zurecht.
Der Strom steht wirklich sehr gut mit, doch zum Teil steht er gegen den Wind was das Wasser sehr unruhig macht, es nieselt leicht.
Die Küste erinnert vage an Norwegen, ich finde sie etwas schroffer und erheblich dünner besiedelt. Wo die Norweger überall ihre Hytter haben und ihre Snekken liegen ist hier einfach Natur. Hier treffen wir auch ein paar andere Segler - alles Einheimische. Im Vorbeisegeln begutachten wir ein paar Ankerplätze denn es sit unsinnig, jetzt die Nacht durchsegeln zu wollen, im Sound of Sleat wird der Strom gegen uns sein und zwar so kräftig, dass wir entweder einparken oder im schlimmsten Fall rückwärts segeln. So suchen wir uns direkt in Tobermory eine Mooring aus und genießen den Anblick dieser schönen kleinen Stadt. Ein paar Seehunde schauen mal vorbei, wir schlafen früh ein, denn um 3 soll es weiter gehen - die Tide ausnutzen.
Nun geht es in ein wirklich sehr sehr interessantes Segelrevier. In dem Buch das der Schotte uns lieh steht: "The westcoast of Scotland is one of the finest cruising grounds in Europe, offering a great variety of scenery and conditions. The many islands and sea locks each have their own character, sometimes offering sheltered water and snug moorings, or in contrast challenging pilotage and spectacular but exposed anchorage. ... on a straight forward coast like the east coast of England north of the Wash, for instance, one might be able to cover every nook and cranny in a cruise lasting a fortnight or so. But here, the deep intendations of the locks on the mainland coast, and the jagged outline of the larger islands, ensure that one could cruise the area for half a lifetime and still finding new anchorages and passages."
Inseln wie Muck oder Eigg ragen steil und schroff aus dem Meer, sind sehr dünn besiedelt. Allem Anschein nach mag man nicht unbedingt im Dorf wohnen und zieht die Einzellage vor. Interessante und geschützte Ankerplätze gibt es wirklich. Kühe teilen sich das Grasland mit Seehunden. Der Strom treibt uns flott voran als der Sund enger wird. Die Sonne scheint, es ist heiß - und schön.
Eine kleine Fähre nimmt an einem winzigen Anleger ein paar Autos auf, ein Wohnmobil ist dabei. Ich denke noch, dass der Fahrer bestimmt ordentlich rangieren muss, um rückwärts von der Fähre zu fahren - da dreht die Fähre beim Ablegen das gesamte Ladedeck um und nun stehen alle Fahrzeuge plötzlich in Fahrtrichtung. Das wird wohl auch den Vorteil haben, dass die Fähre nicht immer senkrecht zu einer Anlegestelle festmachen muss und die Fahrzeuge so auch über eine Seite an Land fahren können. Interessante Konstruktion.
Wir passieren die Brücke um die es wegen des Brückenzolls soviel Gerede gab "SKAT - Skye & Kyle Against Toll" und ein Glasbodenboot grüßt freundlich, das Wasser ist sehr klar. Langsam wird das Ufer wieder dünner besiedelt, der Atlantik wird der Küste schon oft heftig zusetzen. Wir haben einen exakten Zeitplan, wir dürfen nicht zu früh am Pentland Firth sein - gegen die dort regelmäßig stehenden 8 Knoten Strom können wir sicher nicht gegenan. Es wird eine ruhige, sternenklare Nacht, ein paar Fischer ziehen vorbei. Am nächsten Morgen weht es sehr viel frischer, wir gehen sehr dicht unter Land und können kaum die Höhe halten. Die See wird sehr ruppig und die Selbststeueranlage stellt wieder ihren Dienst ein. Eine tolle Fehlkostruktion für sehr teures Geld. Das alles entscheidende Zahnrad ist einfach auf die Welle des Antriebsmotors geklebt - sowas hält nicht doll. Richtig wassergeschützt ist die Mimik auch nicht, wir fahren schon lange mit einer Plastikhülle über dem Teil wenn es regnet oder See überzukommen droht. Nun muss wieder ein paar Tage per Hand gesteuert werden was zumindest in den Nächten weniger schön ist. Am späten Nachmittag kommen die Orkneys in Sicht, wir machen nur noch wenig Fahrt, noch steht der Strom gegen uns. Draußen wartet ein größeres Frachtschiff auf den Wechsel. Pünktlich lässt der Strom nach, wir nehmen zügig Fahrt auf, dann läuft er zunehmend stärker mit uns. Bei Einbruch der Dunkelheit sausen wir mit dem zusätzlichen Schub von 8 Knoten Strom durch die Meerenge. Das muss rechtzeitig geschafft sein - sonst saugt uns der Strom wieder zurück; eine bizarre Vorstellung - Ping-Pong-Ball der Gezeiten. Direkt neben uns ist plötzlich ein großes Loch im Wasser - ein Wal lässt sich wohl alle Fische ins Maul spülen. Heftige "tide ribs" gischten auf, das Wasser hat Stufen, wirbelt und brodelt. Wir schaffen die Passage genau zur rechten Zeit und segeln in die Nacht. Es steht eine wilde Kreuzsee und das Boot schaukelt, stampft und bockt. Es wird auch bitterkalt, in der Kajüte 16 Grad - die Heizung gibt ihren Geist auf. Erholsamer Schlaf ist nun an keinem Ort auf dem Boot möglich. Der Rudergänger hat es noch recht gut, denn er kann die See sehen und weiß, wann eine Wellenformation anläuft. Im Boot drinnen wird man umhergeworfen. So muss sich ein Tennisball fühlen, der während eines Punktspiels schlafen will. Segelwechsel werden zur Strapaze - erschöpft kommt man ins Cockpit zurück.
Der nächste Tag bleibt so unruhig, die nächste Nacht und der folgende Tag auch. Der Schäkel vom Großfall verformt sich, rauscht nach oben und wir können nur noch mit Vorsegeln voran. Das war wahrhaft kein unterdimensioniertes Teil. Immerhin können wir Skagen anliegen - Norwegen liegt etwas im Weg. Wir rechnen ein wenig herum: gibt es noch eine Chance, das ich pünktlich in Kiel bin oder muss ich irgendwo angelöst werden? Sehr sehr knapp sind unsere Chancen. Der Seegang und der Wind machen etwas mürbe, wir werden landsüchtig. Dann endlich eine schöne Segelnacht. Es ist wieder warm und sternenklar, man freut sich am Meeresleuchten und an der flotten Fahrt bei nun viel ruhigerer Lage. Am Morgen kommt Norwegen in Sicht und wir beschließen einen Zwischenstopp auf Hidra. Dort fühlen wir uns schon fast wie zu Hause. Wie sich die Zeiten ändern. Früher dachte man "Norwegen - was für ein Ziel!" - heute ist es schon fast Heimatrevier, nur noch Skagen und dann einfach Südkurs....
Durch eine sehr schmale Passage in den Felsen erreichen wir unsere Ankerbucht, dort waren wir vor 2 Jahren schon einmal. Es ist Sonntag, sehr warm und friedlich. Das Großfall wird klariert und wir widmen uns dem Autopiloten. Unsere Reparatur ist sehr gründlich, die Welle des Motors wird abgeflacht, in das Zahnrad eine Nut eingebracht, ein Stück von einer Sicherheitsnadel wird zu einem Splint umfunktioniert und alles sorgsam bei geeigneter Temperatur verklebt. Das hält dann auch wirklich für den Rest der Reise - und wohl auch noch sehr viel länger. Am Tag zuvor hat die Schraubenwelle viel Wasser ins Boot gebracht, auch diesem Problem rücken wir zu Leibe. Dann wird gebadet, gekocht, gelesen, erholt, mnemotechnische Übungen am Beispiel Gerd Ruge gemacht und am Abend ein Glas Kümmel getrunken. Unsere Berechnungen ergeben, dass ein Durchschnitt von 5,7 Knoten erforderlich ist für die pünktliche Heimkehr - nicht zu schaffen.
Am nächsten Morgen geht es zeitig los und der Wind steht wieder sehr günstig. An Lista geht es noch gemütlich vorbei, bei Lindesnes sehen wir an den entgegenkommenden Booten, dass der Wind schon frisch ist, die müssen sich ordentlich mühen. Bei Ryvinge beginnen wir mit Schmetterling zu segeln, die eine Fock wird back ausgebaumt und das Groß bekommt eine Bullentalje. So rauschen wir mit bis über 11 Knoten dahin. Ein Blick auf Arendal lässt Erinnerungen wach werden - jetzt haben wir keine Zeit für einen Besuch. Mit flotter Fahrt geht es in die Nacht - gegen 3 kommt Hirtshals in Sicht und wir müssen Kurs und Segelstellung ändern.
Morgens umrunden wir Skagen-Nord - es wird ein sehr sehr heißer Tag.
Von jetzt ab haben wir auch alle elektronischen Karten - doch wer braucht zwischen Skagen und Kiel Seekarten?
Bei eher mäßigem Wind muss ab und zu der Motor mitschieben, wir passieren Hirsholm, dann Saeby und schon geht es über die Aarhusbucht. Grenaa wird mitten in der Nacht passiert. Zwischen Vejroe und Bosserne navigiere ich doch mal mit dem Cruising Navigator, das ist schon sehr fein. In Langoer liegen viele viele Boote - das ist für die meisten schon das Urlaubsziel, einmal Samsoe. Wieder ist es heiß, Sonnenschutz Faktor 30, Baseballcap .....
Die Storebeltbro kommt in Sicht, der Strom meint es nicht gut mit uns. Wir nähern uns Langeland und die Chance für meine rechtzeitige Heimkehr wächst, so gut war unser Schnitt in den letzten Tagen. Eigentlich wollen wir in Spodsbjerg Pause machen und einkaufen - unsere Vorräte sind definitiv auf Null. Letztes warmes Gericht: Restepfanne - Mais, Pilze, Zwiebeln - angemacht mit Kaffeeweißer und Kaffeepulver - das letzte Bier ....
Kurz nach Sonnenuntergang dann Keldsnor querab. Das Feuer kann man bei gutem Wetter von Schilksee aus sehen. Oft habe ich unter dem Leuchtturm gestanden und den Lichtstrahl verfolgt wie er seine Kreise durch den Nachthimmel zieht.
Langsam kommt der Kieler Leuchtturm in Sicht, das GPS sagt 2:45 als Ankunftszeit voraus. Viel Schiffsverkehr und ruhiges Wasser - es gibt einen Grog auf die Heimkehr. Bei Bülk bergen wir alle Segel - es soll nun nicht mehr zu lange dauern, ein paar Stunden Schlaf wäre doch noch ganz nett. 500 Meter vor dem Hafen fiept dann die Temperaturwarnung - der Motor muss aus. Das Kühlsystem hat sich mit all den Blaualgen und sonstigem Schwebkram in der Ostsee zugesetzt. Unter Sturmfock segeln wir in den Hafen, gegen 3:20 gehe ich von Bord, Jürgen schläft noch einmal dort. Zu Hause finde ich noch ein Bier im Kühlschrank, dann eine schöne heiße Dusche und ich kann tatsächlich vor dem Dienst noch einige Stunden schlafen.
Donnerstag, 7. August.
Die Bilder von der Reise gibts in der Fotogallery
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